Der afrikanischen Stamm der San lebte viele hunderte Jahre nomadisch in den Weiten der Kalahari und der namibischen Hochländer. Unter ihnen erzählt man sich noch heute die Geschichte, dass eine Eule aus lauter Ärger über die völlige Dunkelheit der Nacht glühende Kohlen und glühende Asche aus dem Feuer nahm, sie hoch in die Luft warf und rief: „Da, glühende Kohlen, werdet zu Sternen, damit wir nachts Licht haben, wenn Mond und Sonne nicht scheinen“. Zur glühenden Asche sagte sie: „Da Asche, werde zur Milchstraße, um den Sternen leuchten zu helfen. Gib Licht, damit die Menschen nachts sehen können und nicht zu Hause sitzen zu brauchen“. Ein starker Wirbelwind trug daraufhin die Kohlen und die Asche hoch über die Wolken: Die schimmernden Kohlen wurden zu funkelnden Sternen und die glühende Asche wurde zum leuchtenden Bogen der Milchstraße. Wenn man diese Geschichte aus dem Legendenschatz der San liest, könnte man sich als passionierter Hobbyastronom ein mildes Lächeln abringen, wegen der doch so einfachen und weit hergeholten Darstellung der Sternentstehung.
Eine völlig andere Bedeutung bekommt diese Erzählung für mich als Mitteleuropäer, wenn ich selbst unter dem tiefschwarzen namibischen Nachthimmel stehe, nach oben schaue und das leuchtende Band der südlichen Milchstraße und unzählige Sterne erblicke, die Geräusche des nächtlichen Afrika, den kühlen trockenen Nachtwind und den Duft der Pflanzen um mich. Dann fühlt man sich mit einem Mal in die Gedanken- und Mythenwelt der San hineinversetzt und ist wieder eins mit der Natur und mit dem großen „Schauspiel“ da oben. Man hat den Eindruck, als habe man etwas wieder gefunden, was man schon lange verloren zu haben glaubt. Ja, da sind glühende Kohlen und ein Band aus glimmender Asche…die San haben recht.
Im Jahr 2009 führte uns wieder eine Reise nach Namibia. Diesmal astronomisch nur ausgerüstet mit einen Steiner 20 x 80 Fernglas, Stativ und Kinokopf als Leihgabe der Sternwarte Drebach. Leider war ein Aufenthalt zur Beobachtung auf Tivoli, Rooisand oder Hakos aus Zeit- und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Zudem lag ein Großteil der Reisezeit um den Maivollmond. Gut zum Campen, schlecht für die Beobachtung So nutzte ich erst im zweiten Drittel der Reise die früh hereinbrechenden mondlosen Abende auf den Restcamps von Rooisand (Gamsberggebiet) und Farm Ameib (Erongo), um mit dem Fernglas durch die südliche Milchstraße und deren hellsten Objekten zu streifen. Für mich trotz der recht spartanischen Ausstattung ein absoluter Gewinn, denn weniger ist manchmal mehr. Schon allein die offenen Sternhaufen der von Europa aus nicht sichtbaren südlichen Teile des Sternbilds Skorpion sind ein Genuss.
So zum Beispiel NGC 6231, den man bereits als diffusen Nebelfleck von 3 Magnituden (mag) mit bloßem Auge nahe bei ζ Sco ausmachen kann. Einer der hellsten offenen Sternhaufen, den man am Himmel beobachten kann und der den Plejaden an Pracht kaum nachsteht. Im 20 x 80 drängen sich dutzende 5 – 8 mag helle Sterne. NGC 6231 wurde 1752 von Abbe de Lacaille entdeckt. Unsicher ist eine Sichtung durch Hodierna bereits 1654.
Östlich von NGC 6231 findet man den etwas schwächeren offenen Sternhaufen NGC 6124. Von Mitteleuropa aus würde man den Sternhaufen bei seiner Kulmination genau auf der Horizontlinie finden. Auch er ist in Namibia als schwaches Glimmen etwa 5° westlich von ζ Sco zu entdecken. Im Fernglas offenbart sich seine ganze Schönheit. Etwa 30 Sterne sind sehr gut in einer relativ sternarmen Umgebung zu entdecken. Abbe de Lacaille beschreibt 1755 seinen Eindruck von NGC 6231 als „Nebel ohne Sterne, er ähnelt einem großen Kometen ohne Schweif“.
Ein wunderschönes Ziel, auch für das Fernglas oder ein kleines Teleskop ist Kappa Cruzis, die Juwelenkästchen bzw. „Jewel Box“ im Kreuz des Südens (Crux). Der hellste Stern ist Kappa Crucis. Er dient auch als Orientierungspunkt für das Auffinden. Der Sternhaufen um Kappa ist bereits mit bloßem Auge als kleiner heller Sternknoten zu sehen. Im Zentrum findet man im Fernglas sechs helle Sterne als markantes Dreieck, dessen Spitze auf β Cru zielt. Fünf Mitglieder funkeln fast reinweiß während der sechste orange-rot einen auffälligen Kontrast bildet. Wer die „Jewel Box“ nicht in seinem Programm hatte, hat leider das Kleinod des südlichen Sternhimmels ausgelassen. Im Gegensatz zu Kappa Crucis steht der bereits deutlich die Milchstraße „ausstanzende“ Dunkelnebel des sogenannten Kohlensacks. Er befindet sich im südöstlichen Bereich des Kreuz des Südens und ist nicht zu übersehen. Man hat den Eindruck, dass der „Kohlensack“ merklich dunkler ist als der Nachthimmel außerhalb der Milchstraße. Hier sitzt man aber einer Täuschung auf. Es ist ein Kontrasteffekt, der unser Auge narrt. Es gibt also auch „kahle“ Stellen in unserem Band aus glimmender Asche. Wandert man mit dem Fernglas weiter südlich in das Sternbild Fliege (Musca), findet man weitere Dunkelnebel. Diese sind aber dann nicht mehr so markant, also Zeit lassen und nur gut dunkeladaptiert beobachten.
Wenn man weiter nach Westen schwenkt findet man schnell NGC 3372. Hinter dieser nüchternen Bezeichnung des New General Catalugue verbirgt sich Eta Carinae, dass absolute Highlight der südlichen Milchstraße. Die Milchstraße ist in dieser Region des Himmels so hell, dass sie bereits in der späten Dämmerung auftaucht. Zuviel will ich nicht verraten, dass muss man selbst sehen. Mit dem Steiner erlebt man ein riesiges Feld von hellen und dunklen Strukturen, diffus leuchtenden Bereichen und Dunkelbändern. Es ist der Höhepunkt einer Beobachtungsnacht und man braucht viel Zeit und Muße dafür. Egal ob man mit dem Fernglas oder mit dem 20“ Dobson beobachtet.
Es gibt also viel zu sehen im Band der glimmenden Asche und der glühenden Kohlen. Die Eule hat gute Arbeit geleistet.
Um die Geschichte der Buschleute ein wenig weiter zu erzählen: Die Eule wurde am nächsten Morgen von der aufgebrachten Sonne wegen ihrer Taten gescholten. „Weißt du welches großes Unheil Du angerichtet hast ? Nun werden die Menschen sich nachts herumtreiben um Böses zu tun. Ich habe die Nächte mit Absicht so dunkel gemacht, damit die Menschen ihre Hände nicht vor Augen sehen können, sie zu Hause bleiben müssen und schlafen….Fortan sollst du nur nachts bei Sternenlicht fliegen, denn wenn ich Dich am Tage erblicke, werde ich Dich zu Asche verbrennen. Wer dich auch sieht, wird dich für deine dumme Handlung verspotten“. Nun, ich habe mich gern in der afrikanischen Nacht herum getrieben und das Werk der Eule betrachtet und ich werde es wieder tun, denn auch mich haben diese Nächte und Erlebnisse begeistert.
Alle Rechte vorbehalten! Erstveröffentlichung im “Journal für Astronomie 2/2011“, S. 18-19